Geschichte des Festival-Zelt Gstaad
Das Gstaad Menuhin festival
Wer Gstaad hört, denkt unweigerlich an Lord Yehudi Menuhin. Der Gründer des gleichnamigen Musikfestivals und Ehrenbürger von Gstaad hat mit seinem visionären Engagement einen Fixpunkt in der alpinen Musiklandschaft geschaffen. Die ersten zwei Konzerte fanden 1957 in der Kirche Saanen statt. Heute umfasst der Kalender des Gstaad Menuhin Festival über 60 Anlässe in malerischen Kirchen im Saanenland und im Festival-Zelt. Neue Begegnungen werden mit den «Musikextra»-Veranstaltungen angeboten.
Die Erfolgsgeschichte beginnt im Sommer 1957. Yehudi Menuhin, der Geigenvirtuose des 20. Jahrhunderts, besucht mit seiner Familie die Region Gstaad. Mit dem damaligen Kurdirektor Paul Valentin entwickelt er spontan die Idee eines alpinen Klassik-Festivals. Umgehend organisiert er zwei Konzerte in der Kirche Saanen. Am 4. und 6. August 1957 schlägt die Geburtsstunde des Gstaad Menuhin Festival. Fortan tragen die Sommer-Konzerte im Saanenland den Titel «Yehudi-Menuhin-Musiksommer». Aus zwei werden neun Veranstaltungen, vorwiegend Kammermusikkonzerte und Konzerte mit Kammerorchestern (ab 1958 nimmt das bekannte Zürcher Kammerorchester unter Edmond de Stoutz teil). Das Festival ist von Beginn weg stark von Menuhins intensiver Beziehung und Interaktion mit der ländlichen Idylle im Berner Oberland inspiriert. 1963 gründet Menuhin in London eine Menuhin-School. Vermehrt tritt auch der künstlerische Nachwuchs in Gstaad auf. Das Festival wird auf 15 Konzerte erweitert. Das Mitwirken von Menuhins Schülern wird zum festen und gewichtigen Bestandteil des Festivals. Gleichzeitig bricht Menuhin mit Experimenten die Grenzen zu anderen Künsten und Kulturen auf (beispielsweise integriert er Sitar-Konzerte des indischen Virtuosen Ravi Shankar oder Auftritte des Starclowns Dimitri ins Programm). In diese Phase fällt auch die Uraufführung des «Polyptique» für Violine und zwei Streichorchester des zeitgenössischen Komponisten Frank Martin.
Neue Organisationsform ab 1976
Die Struktur des Festivals wird zunehmend komplexer. 1976 wird insbesondere auch für die Bewältigung administrativer Aufgaben ein neues Organisationskomitee eingesetzt. 1977 setzt Menuhin mit der Gründung der Internationalen Menuhin-Musik-Akademie (IMMA) einen Markstein in der Förderung von jungen Elite-Musikern. Der erste Direktor ist Alberto Lysy. Das Orchester der Akademie, die Menuhin Academy Soloists, wird zu einer tragenden Säule des Festivals. Mittlerweilen umfasst der Anlass 18 Konzerte. Menuhin betont in seiner künstlerischen Arbeit noch intensiver die Symbiose von Kunst und Landschaft. Musikalische Höhepunkte sind beispielsweise ein Konzert zum 100. Geburtstag von Ernest Bloch, eine Hommage an Benjamin Britten (zur Aufführung kommt dessen Drittes Streichquartett) oder ein Gedenkkonzert zur vierzigsten Wiederkehr von Bela Bartók nach Gstaad.
Zusammenschluss von Festival und Alpengala
Nachdem die Zukunft des Festivals 1982 ernsthaft in Frage gestanden hatte, wurde 1989 ein massgeblicher Schritt zur besseren Verankerung vollzogen: Aus dem Zusammenschluss des Gstaad Menuhin Festival und der Alpengala (1985 in Wengen lanciert) geht die Aktiengesellschaft Musiksommer Gstaad Saanenland AG hervor. Neu können so 25 Konzerte angeboten werden. Menuhin sucht in dieser Phase das Gleichgewicht zwischen Altem und Neuem. Zahlreiche Konzerte, insbesondere jene im neuen Festival-Zelt (ab 1987), sind Institutionen gewidmet, die ihm fundamental am Herzen lagen (zum Beispiel dem Mozart-Fonds, der Naturstiftung von Prinz Saddrudin Aga Khan namens «Alp Action», Amnesty International und anderen). 1996 erfolgt nach 40 Jahren erfolgreicher Leitung die Stabsübergabe von Lord Menuhin an Gidon Kremer. Der begabte Violinist leitet das Festival nur für zwei Jahre.
Bewegte Ära nach Menuhin
Nach dem Rücktritt von Gidon Kremer übernimmt Peter Keller und anschliessend die ehemalige Mitarbeiterin von Yehudi Menuhin, die Musikwissenschaftlerin Eleanor Hope, den künstlerischen Vorsitz des Festivals. Sie trägt das Erbe Menuhins, der 1999 verstirbt, in einem vielseitigen Programm weiter, das in permanenter Wechselwirkung zur bergigen Natur der Ferienregion Saanenland steht. Der Schwerpunkt der Konzerte in Gstaad und Umgebung liegt auf der klassischen und zeitgenössischen Kammermusik (vorwiegend in den Kirchen der Region) und sinfonischen Werken (im Festival-Zelt), dargeboten von international bekannten Persönlichkeiten. Vermehrt wurden in den vergangenen Jahren auch konzertante Opern und experimentelle Rahmenveranstaltungen durchgeführt. Seit 2002 hat der junge Cellist Christoph N.F. Müller, zugleich Leiter des Kammerorchesters Basel, die künstlerische Leitung des Gstaad Menuhin Festival & Academy inne. Drei Pfeiler bilden das neue Fundament des traditionsreichen Anlasses: Kammermusik (mit einem Festival im Festival), sinfonische Werke und konzertante Opern so wie die so genannte Today’s music (mit dem Artist in Residence George Gruntz, Altmeister in Sachen Jazz.